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Freisetzungsversuch zur Abschätzung der Biosicherheit von transgenem Weizen unter natürlichen Bedingungen

Interview mit Dr. Christof Sautter, Institut für Pflanzenwissenschaften, ETH Zürich

Herr Sautter, Sie wollen im Freiland genveränderte Weizenpflanzen testen, die gegen einen Schadpilz erhöhte Resistenz aufweisen. Genveränderungen gegen Schaderreger sind ja bereits bekannt. Was ist das grundlegend Neue an Ihrem Ansatz?
Wir hoffen, ein System entwickeln zu können, das spezifisch gegen bestimmte Krankheitserreger wirkt und keine Nebenwirkungen auf Nicht-Ziel-Organismen hat. Die pilzlichen Krankheitserreger, gegen die unser System spezifisch wirken soll, sind die Brände (Ustilaginales). Darunter ist der Stinkbrand relativ einfach zu handhaben und dient uns daher als erstes Model.

Was ist Stinkbrand?
Stinkbrand ist eine Pilzkrankheit des Weizens. Die Sporen infizieren die Weizenpflanzen bei der Keimung. Der Pilz wächst, ohne dass die Pflanze äussere Krankheitsanzeichen zeigt, durch den Stängel in die Ähren und bildet seine Sporen in den Körnern. Infizierte Weizenkörner enthalten anstelle der weissen Stärke Millionen von braunschwarzen Pilzsporen.

Welche Bedeutung hat dieser Schädling im Weizenanbau?
Stinkbrand ist sehr infektiös. Nur wenige brandbefallene Ähren reichen aus, um die ganze Aussaat mit Brandsporen zu infizieren. So kann ein geringfügiger Befall in nur wenigen Zyklen zu Ernteausfällen von bis zu 50 Prozent führen, falls ein Teil der eigenen Ernte als Saatgut wiederverwendet wird. Wenn in der Schweiz nur fünf Stinkbrandähren in 150 m2 Ackerfläche gefunden werden, dann wird die ganze Ernte als Saatgut disqualifiziert. Besonders Subsistenzbauern in Entwicklungsländern, die einen Teil ihrer Ernte als Saatgut verwenden müssen, drohen durch solche "samenübertragbare" Krankheiten wie den Stinkbrand grosse Ernteverluste.

Wie erfolgreich sind die bisher eingesetzten Pflanzenschutzmassnahmen (Biolandbau, konventionell) und welche Probleme treten jeweils auf?
Die Beizung mit chemischen Fungiziden im konventionellen und IP-Landbau verhindert den Stinkbrandbefall vollständig. Die Behandlung mit Gelbsenfmehl im Biolandbau wirkt verlässlich, aber nicht ganz vollständig. Zudem ist Gelbsenfmehl nur für die Bekämpfung des Stinkbrandes zugelassen. Die Warmwasserbehandlung im Biolandbau ist schwierig und nicht so effizient. Steinmehl bietet keinen ausreichenden Schutz. Da diese Behandlungen nicht spezifisch sind, treffen sie auch nützliche Pilze, wie z.B. die mit den Wurzeln vergesellschafteten Mykorrhizapilze.

Welche Ziele werden mit diesem Versuch verfolgt?

Wir wollen mit diesem Versuch neben der biologischen Sicherheit dieser Pflanzen grundsätzlich die Wirkung auf den Stinkbrandbefall der Prototypen unter Freilandbedingungen überprüfen. An eine landwirtschaftliche Anwendung ist in naher Zukunft nicht gedacht.

Warum ist nach dem geschlossenen Versuch im Gewächshaus die Freisetzung noch notwendig?
Im Gewächshaus herrschen geschützte Bedingungen. Die Pflanzen reagieren anders, wenn Regen, Wind und andere Krankheitserreger auf die Pflanzen wirken können. So hat das geschlossene Gewächshaus den Pilz begünstigt, die Vegetationshalle hat aber auch bei nicht transgenen Kontrollen den Pilzbefall ganz verhindert. Das Freiland ist daher durch keine Simulation zur ersetzen, die uns zur Verfügung steht.

Welche Nontarget(Nicht-Ziel)organismen könnten betroffen sein?
Wir hoffen, dass unser System sehr spezifisch nur auf die Brandpilze wirkt. Alle Brandpilze sind Krankheitserreger bei Pflanzen. Wir werden die Wechselwirkung mit Mikroben und Insekten untersuchen. Dazu zählen wir als Nichtzielorganismen verschiedene Bodenbakterien, andere nützliche Pilze (Mykorrhiza) sowie Erdflöhe, Springschwänze, Läuse und Getreidehähnchen. Bisher haben wir keine Unterschiede zwischen transgenen und nicht-transgenen Kontrollen feststellen können. Nach menschlichem Ermessen geht also von diesen Pflanzen keine ökologische Gefahr aus.

Wie wird bei diesem Versuch das Austreten genetisch veränderten Materials verhindert?
Aus rein wissenschaftlicher Sicht, ist nicht anzunehmen, dass genetisches Material aus den transgenen Pflanzen austritt, weil Weizen ein ganz strenger Selbstbestäuber ist. Dennoch nehmen wir die Bedenken der Öffentlichkeit auf und decken die transgenen Pflanzen während der Blüte mit kleinen staubdichten Zelten ab, damit bestimmt kein Pollen entweichen kann.

Auf welche Pflanzen könnten sich die Weizengene auskreuzen?
Der transgene Weizen könnte sich mit anderen Weizenpflanzen kreuzen, falls diese nicht weiter als zwei Meter entfernt stehen. In der Schweiz könnte sich der transgene Weizen auch mit Roggen oder einigen Wildgräsern auskreuzen. Die entstehenden Bastard-Nachkommen sind jedoch nicht ohne weiteres lebensfähig. Der sechsfache Erbsatz des Saatweizens macht es fast unmöglich, dass bei Auskreuzung auf Wildpflanzen mit einem normalen zweifachen Erbsatz lebenstüchtige Nachkommen erzeugt werden. Der Testgarten ist jedoch von anderen Weizen- oder Roggenfeldern weit entfernt und wird zusätzlich während der Blüte mit pollendichtem Tuch abgedeckt.

Welche zusätzlichen Gene (Marker) wurden mit dem Virusgen zusammen in den Weizen eingebaut und welches Risiko geht von ihnen aus?
Die transgenen Weizenpflanzen sind - wie in der Forschung üblich - Prototypen. Neben dem interessierenden KP-Gen enthalten die Pflanzen aus technischen Gründen auch zwei Markergene, Diese Gene würde man vor einer eventuellen agronomischen Freisetzung entfernen. Das bar-Gen vermittelt Herbizid-Toleranz. Diese Herbizidtoleranz war bisher das einzige gut wirksame Gen zur Selektion bei der Herstellung der transgenen Weizenlinien. Das Gen würde aber bei einer agronomischen Anwendung wegen des Fruchtwechsels stören. Eine Gefahr geht davon jedoch nicht aus.

Ausserdem enthalten die Pflanzen auch ein Gen für die Resistenz gegen Ampicillin. Das hat historische Gründe, denn als wir vor etlichen Jahren mit diesem Projekt angefangen haben, konnten wir nicht voraussehen, welche Aufmerksamkeit diese Gen einmal erhalten würde. Auch dieses Gen würde vor einer eventuellen landwirtschaftlichen Anwendung entfernt werden. Ampicillin ist ein Antibiotikum, das für die Bakterienkulturen verwendet wird, mit denen das Transgen vermehrt wird, ehe es in die Pflanzen eingeschleust wird. Damit wird in der Öffentlichkeit die Gefahr verbunden, dass ein Bodenbakterium das Ampicillinresistenz-Gen aus der Pflanze aufnimmt und dann durch sogenannten Horizontalen Gentransfer an einen bakteriellen Krankheitserregen des Menschen weitergibt. Dann könnte dieser Krankheitserreger mit diesem Antibiotikum nicht mehr bekämpft werden. Das ist verständlicherweise unerwünscht. Immer noch könnte der Krankheitserreger jedoch mit einem anderen Antibiotikum bekämpft werden.

Da diese Antibiotikaresistenz-Gene aber ursprünglich aus Bodenbakterien stammen, und man ohne weiteres ca 10'000 Ampicillin-resistente Bakterien in einem einzigen Gramm beliebigen Ackerbodens findet, ist die spezielle Gefahr durch den höchst unwahrscheinlichen, bisher in der Natur nicht nachgewiesenen Gentransfer von einer transgenen Pflanze auf ein Bakterium nicht nennenswert. Die Antibiotika-resistenten Krankheitserreger, die es unerfreulicherweise gibt, stammen, soweit man es verfolgen konnte, aus unsachgemässer medizinischer Anwendung von Antibiotika.
Um die Relationen zurechtzurücken sei erwähnt, dass ein einziges Gramm Kuhmist ca. eine Million Antibiotika-resistenter Bakterien aus dem Darm von Säugetieren enthält. Die EU hat denn auch neulich die Antibiotika-Resistenzgene bis 2003 für die landwirtschaftliche Anwendung und bis 2008 für Forschungsexperimente bewilligt. Vor einer eventuellen Anwendung würden diese Markergene, speziell auch die Ampicillinresistenz ohnehin entfernt.

Die Anwendung von Antibiotikaresistenzgenen bei Prototypen in kleinen, streng kontrollierten Experimenten ist Ihrer Meinung nach kein zusätzliches Risiko. Warum will dann die EU ihren Einsatz spätestens ab 2008 verbieten?
Diese Art von Entscheidungen sind stets politische Kompromisse, die im Widerstreit zwischen den Parteien getroffen werden. Diese Parteien vertreten verschiedene, naturgemäss auch ideologisch gefärbte Interessen. Solche Entscheide widerspiegeln daher weniger die wissenschaftlich begründeten Bedenken als vielmehr die Machtverhältnisse in den Gremien. Dass die Öffentlichkeit aus solchen politischen Entscheiden auf eine tatsächliche Gefahr schliesst, ist nicht immer gerechtfertigt. Wie die Aufhebung des bisherigen de facto Moratoriums der EU in dieser Angelegenheit zeigt, sind solche Entscheide auch nicht irreversibel.

Wann wird mit dem Versuch begonnen und wie lange soll er dauern?
Das Gesuch muss zunächst bearbeitet werden. Ob der Versuch dann bewilligt wird oder nicht, lässt sich nicht vorhersagen. Falls er bewilligt wird, ist es zu spät für eine Aussaat in der kommenden Vegetationsperiode. Das Experiment mit den Pflanzen soll nur eine Vegetationsperiode lang dauern, also von März bis Juli. Im folgenden Jahr wird die Fläche nachversorgt, aber neuerlicher Anbau von transgenen Pflanzen ist nicht vorgesehen.


© Copyright Zentrum BATS: Kontakt Legal Advisor: Advokatur Prudentia-Law Veröffentlichungsdatum: 2001-03-02

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