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Die Patentierung biotechnologischer Erfindungen - Teufelswerk oder Wundermittel?

Felix Addor, Institut für Geistiges Eigentum, Bern

Die Erteilung von Patenten auf dem Gebiet der Biotechnologie, insbesondere für Gene bzw. Gensequenzen in Zusammenhang mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms, ist unter Beschuss (Stichwort "Kein Patent auf Leben"). Die Kritiker machen insbesondere geltend, die Patentierung biotechnologischer Erfindungen sei rechtlich nicht klar abgestützt, ethisch nicht vertretbar und sie würde zudem die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich behindern. Hier tut Aufklärung über die Grundlagen und Mechanismen des Patentwesens not:

Ein schweizerisches Patent ist ein Schutztitel, der seinen Inhaber während längsten 20 Jahren davor schützt, dass ein Dritter die geschützte Erfindung innerhalb der Schweiz für gewerbliche Zwecke verwendet. Das Patent schliesst also Drittpersonen von der kommerziellen Nutzung einer Erfindung aus. Um auch in anderen Ländern als in der Schweiz Patentschutz zu erlangen, muss die Erfindung in den gewünschten Staaten ebenfalls zum Patent angemeldet worden sein. Das Patent sagt nichts darüber aus, ob der Inhaber die patentierte Erfindung selbst kommerziell nutzen darf. Das Recht zur Benutzung einer Erfindung wird durch andere Gesetze als das Patentgesetz - z.B. das Heilmittelgesetz, das Fortpflanzungsmedizingesetz, das Tierschutzgesetz - geregelt und erfordert unter Umständen eine Bewilligung. Für die Einhaltung dieser Gesetzesvorschriften ist nicht die Patentbehörde, sondern andere Institutionen zuständig, so z.B. das künftige Heilmittelinstitut, oder das Bundesamt für Umwelt, Wald und Landschaft. Die Patentbehörde entscheidet somit über Technologien, die - wenn überhaupt - erst Jahre später zur kommerziellen Nutzung gebracht werden, nämlich falls Markt und Gesellschaft dereinst die entsprechenden Produkte zu kaufen wünschen, und falls der Staat ihre Anwendung zulässt. Im Zeitpunkt der Patentanmeldung bzw. -erteilung steht die Anwendung einer Erfindung bzw. deren kommerzielle Nutzungsmöglichkeiten in aller Regel nicht fest. Patentrechtlich lässt sich deshalb nicht zwischen erwünschten und unerwünschten Anwendungen naturwissenschaftlicher Erkenntnisse unterscheiden. Das Patentrecht ist somit ungeeignet, die Forschung zu lenken und ihre negativen Auswüchse zu bekämpfen.

In Zusammenhang mit der Entschlüsselung des menschlichen Genoms stellen sich insbesondere die folgenden spezifischen Fragen:

Grenzziehung zwischen Erfindung und Entdeckung

Eine Erfindung ist eine Anleitung zum wiederholbaren technischen Handeln. Die blosse Beschreibung der Struktur einer DNA-Sequenz ohne eine konkrete Angabe ihrer Verwendungsmöglichkeit stellt eine Entdeckung dar und ist daher nicht patentierbar.

Neuheit, erfinderische Tätigkeit

Da der Bereich der Biotechnologie ständigen Veränderungen unterliegt, ist auch die Beurteilung der Patentierungsvoraussetzungen für den konkreten Fall stetig im Fluss. Galt die Sequenzierung einer Gensequenz vor Jahren noch als Innovation, so ist sie heute ein von Computern durchgeführtes Routineverfahren. Der Einsatz von computergestützten Routineverfahren schliesst allerdings die Patentierbarkeit nicht von vornherein aus.

Funktion und technische Nutzbarkeit von Genpatenten

Die Patentierungsvoraussetzungen des relevanten EU-Rechts (Richtlinie 98/44 der Europäischen Gemeinschaften über den rechtlichen Schutz biotechnologischer Erfindungen) sind strenger als jene des geltenden schweizerischen Rechts. Neu müssen die Eigenschaften und Verwendungsmöglichkeiten eines Gens bzw. einer Gensequenz bereits im Rahmen der Patentanmeldung beschrieben werden; eine nachträgliche Ergänzung ist nicht mehr möglich. Damit soll spekulativen Patentanmeldungen vorgebeugt werden. Die Anmeldungen können grob in drei Gruppen unterschieden werden:
1. Anmeldungen, z.B. von sog. Expressed Sequence Tags (ESTs), die Ansprüche auf Gensequenzen ohne Angabe ihrer Funktion bzw. gewerblicher Anwendbarkeit enthalten;
2. Anmeldungen von ganzen Genen bzw. zusammengesetzten Gensequenzen mit spekulativen Funktionsangaben oder bei denen die Funktion aufgrund von Substanzvergleichen mit bekannten Proteinen hergeleitet wird;
3. Anmeldungen von Genen bzw. Gensequenzen, die exprimiert worden sind und für die mindestens eine Funktion konkret nachgewiesen ist.

Im Zeitpunkt der Forschung steht nicht fest, ob dereinst ein Ergebnis erzielt wird, welches sich kommerziell verwerten lässt. Der in personeller, sachlicher und zeitlicher Hinsicht beschränkte Patentschutz zwecks Refinanzierung der gemachten Forschungsinvestitionen bzw. Erzielen eines finanziellen Gewinns dient letztlich der Förderung des technischen Fortschritts. Das Patentrecht stellt sicher, dass die Patentierung biotechnologischer Erfindungen nicht zu einseitigen Monopolen oder Abhängigkeiten führt oder die Forschung behindert:
- Im Sinne einer Gegenleistung für das ihm eingeräumte Recht ist der Inhaber verpflichtet, die Erfindung im Zeitpunkt der Patentanmeldung zu offenbaren und für eine Fachperson nachvollziehbar zu erklären. Allein auf Grund dieser patentrechtlichen Verpflichtung besitzt die interessierte Öffentlichkeit heute die Möglichkeit, den aktuellen Stand der Entwicklung in der Forschung zu kennen und über Sinn und Unsinn einer späteren kommerziellen Nutzung der gemachten Erfindungen zu diskutieren.
- Die Benützung der Erfindung zu Forschungszwecken ist trotz Patentierung uneingeschränkt möglich (sog. Forschungsprivileg); gleiches gilt in Bezug auf den Privatgebrauch.
- Die gesetzliche Massnahme der Zwangslizenz fördern die freiwillige Lizenzvergabe.
- Nach Ablauf der Patentschutzdauer kann jedermann die Erfindung frei (kommerziell) benützen.

Das Patentrecht regelt das Verhältnis zwischen Personen und nicht etwa zwischen Personen und Sachen (z.B. Gensequenzen). Auch ohne Patentierung wäre die Forschung und kommerzielle Nutzung - soweit letztere vom Staat erlaubt wird - möglich, allerdings nicht nur durch den Patentinhaber, sondern durch alle an einer Nutzung interessierten Personen. Das Patentrecht stellt somit ein Gleichgewicht dar zwischen den Interessen der Patentinhaber, den weiteren forschenden Kreisen und der Öffentlichkeit. Dieses Gleichgewicht soll im Rahmen der nächsten Revision des Patentgesetzes bewahrt bleiben.


© Copyright Zentrum BATS: Kontakt Legal Advisor: Advokatur Prudentia-Law Veröffentlichungsdatum: 2001-09-14

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