| Sie sind hier: Medizin > Genforschung > Forum 2001 > Genom Das menschliche Genom: Ein Buch mit zu vielen Seiten?Radek Skoda, Deutsches Krebsforschungszentrum, HeidelbergDie gesamte Erbinformation des Menschen ist in einem Alphabet aus nur vier 
  Buchstaben verschlüsselt und besteht aus 23 fast unendlich langen Buchstabenfolgen, 
  die sich zu 23 Chromosomen zusammenfügen. Die chemische Substanz, die Träger 
  dieser Information ist, wurde in Basel von Friedrich Miescher vor mehr als 100 
  Jahren entdeckt und wird als Deoxynukleinsäure oder DNS bezeichnet. Die 
  Bausteine der DNS bilden die Buchstaben und die Gesamtzahl dieser Buchstaben 
  beträgt etwa 3 Milliarden, was für die meisten von uns eine schwer 
  vorstellbare Zahl darstellt. Das wären 6 Millionen Seiten mit je 5'000 
  Buchstaben pro Seite, oder 6'000 Bücher mit je 1'000 Seiten. Diese Menge 
  an Information, auch wenn noch mit vielen Lücken, wurde vor kurzem aus 
  den menschlichen Chromosomen extrahiert und als einer der grossen Durchbrüche 
  der Genomforschung gefeiert. Die Reihenfolge dieser 3 Milliarden Buchstaben 
  enthält die Information, die notwendig, aber wahrscheinlich nicht ausreichend 
  ist, um einen Menschen zu formen. Schon vor vielen Jahrzehnten wurde der genetische 
  Kode entschlüsselt, der uns erlaubt aus der Buchstabenfolge Wörter 
  zu bilden und wir wissen, dass immer drei Buchstaben ein Wort bedeuten, das 
  aus der DNS Sprache in die Sprache der Eiweisse übersetzt wird.  Wir wissen auch, dass dies über einen Zwischenschritt mittels von kurzen 
  Boten RNA (auch mRNA genannt) erfolgt. Das Umschreiben von DNA-Abschnitten in 
  mRNA wird als Transkription bezeichnet und ein Gen wird definiert als der DNS-Abschnitt, 
  der für eine solche RNA kodiert. Dieser Vorgang der Transkription ist in 
  jedem Gewebe anders reguliert und ermöglicht, dass im Hirn andere Eiweisse 
  synthetisiert werden als z.B. im Herzmuskel. Die Information, welche Gene in 
  welchen Geweben exprimiert werden sollen, ist auch in der Buchstabenfolge enthalten. 
  Allerdings verstehen wir diese Sprache erst in den Ansätzen. Eine weitere 
  Ebene der Komplexität entsteht dadurch, dass die meisten Gene unterbrochen 
  sind durch eingeschobene Buchstabenfolgen, sogenannte Introns, die keinen Sinn 
  für die Eiweissynthese machen und zuerst durch einen Vorgang, der "Splicing" 
  genannt wird, herausgeschnitten werden müssen. Dabei gibt es bei vielen 
  Genen verschiedene Varianten, wie dies geschehen kann, mit dem Ergebnis, dass 
  aus einem Gen mehrere z.T. auch funktionell verschiedene Genprodukte (=Eiweisse) 
  entstehen können. Wir wissen noch sehr wenig darüber, wie dieser Vorgang, 
  der auch differentielles Splicing bezeichnet wird gesteuert wird. Wir vermuten 
  aber, dass auch hierzu die Information in der Buchstabenfolge der differentiell 
  geschnittenen Genabschnitte liegt, geschrieben in einem Kode, den wir noch nicht 
  verstehen.  Aus diesen Beispielen ist schon ersichtlich, dass mit dem Ablesen der Buchstabenfolge 
  der menschlichen DNS das menschliche Genom noch lange nicht entschlüsselt 
  ist. Viele zusätzliche Ebenen bleiben noch wenig verstanden, z.B. das Zusammenwirken 
  von DNS und Proteinen zu Chromatin, die Veränderungen des Genoms durch 
  Methylierungen und andere Modifikationen. Noch wesentlicher aber ist, dass die 
  Funktion der meisten Genprodukte, der Eiweisse, noch unbekannt ist. Das menschliche 
  Genom wird noch lange ein Buch mit zu vielen Seiten bleiben. Die Kenntnis der 
  Buchtabenfolge bietet aber eine Vielzahl von Möglichkeiten, die komplexeren 
  Zusammenhänge der Funktionsweise des menschlichen Genoms zu erforschen. 
  Trotz unseres beschränkten Wissens sind aber heute schon viele Anwendungen 
  möglich, die Hoffnung aber auch Verunsicherung erzeugen. Diese Fragen und 
  Probleme werden Gegenstand des Symposiums sein. 
 
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