| Sie sind hier: Landwirtschaft > Transgene Pflanzen > Traditionelle Züchtung Traditionelle Züchtung mit gentechnischer UnterstützungInterview mit Cesare Gessler, ETH Zürich Forschungsschwerpunkt|  Apfelschorf (Foto: BBA
 Braunschweig)
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 Herr Gessler, Sie befassen sich mit der Resistenz von Apfel gegen die 
        Pilzkrankheiten Schorf und Mehltau, die im Obstbau grosse Schäden
        anrichten. 
        Was genau versuchen Sie herauszufinden? In Zusammenarbeit mit der FAW (Eidgenössische Forschungsanstalt für Obst-, 
        Wein- und Gartenbau, Wädenswil) lokalisieren wir Resistenzgene auf Genomkarten 
        des Apfels. Diese Resistenzgene des Apfels können in den Kreuzungsnachkommen 
        mit DNA-Markern identifiziert werden. Die Züchtung verwendet diese Ergebnisse 
        dann, um Schorf- und Mehltau-resistente Apfelsorten zu züchten.  TechnikSie nutzen die Gentechnik in Ihrer Forschung nicht zur Übertragung von 
        Genen, sondern zur molekularen Diagnose der apfeleigenen Resistenzgene. 
        Welche Techniken setzen Sie ein und wie funktionieren diese? Als erstes wird die DNA aus dem Blatt eines jungen Sämlings extrahiert. 
        Dann wird die DNA-Probe auf Vorhandensein dieser Marker analysiert. Wenn 
        das Pflänzchen die gewünschten Marker hat, so hat es auch die gewünschten 
        Gene. Bei der traditionellen Auslese kann im Gegensatz zur molekularen Diagnose 
        nur über die Ausprägung eines Merkmals gefolgert werden, ob ein Gen vorhanden 
        ist oder nicht. Dazu sind mehr oder weniger aufwändige Tests und Beobachtungen 
        nötig. Schorfresistenz kann an jungen Pflänzchen im Gewächshaus nach künstlicher 
        Infektion bestimmt werden. Ob das Merkmal auf einem oder auf mehreren 
        Genen basiert, kann jedoch nur mit molekularen Methoden geklärt werden. 
        Resistenz, die auf einem Gen basiert, kann oft nach kurzer Einsatzzeit 
        vom Pilz überwunden werden. Mehrere Resistenzgene hingegen können eine 
        dauerhafte Resistenz bewirken. Bei Mehltau ist es so, dass die Mehltau-Resistenz phänotypisch nur bei 
        adulten Bäumen festgestellt werden kann, wobei Beobachtungen über mehrere 
        Jahre notwendig sind. Mit einer molekularen Diagnose hingegen kann das 
        Vorhandensein eines Mehltauresistenz-Gens, das eine solche Adult-Resistenz 
        bewirkt, schon mit wenig DNA nachgewiesen werden.|  Vom Mehltau befallene Trauben
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 Welche Vorteile hat die markergestützte Selektion noch? In naher Zukunft werden immer mehr Gene mit Markern identifiziert werden 
        und somit wird die markergestützte Selektion immer effizienter. Eine Vision 
        ist, dass wir aus zehntausend Sämlingen einige wenige auswählen können, 
        welche die Grundausstattung der absolut notwendigen Gene (resp. Allele) 
        für die gewünschten Merkmale enthalten. Diese würden dann weitergeprüft 
        und irgendwann würde aus einem dieser Sämlinge letztlich eine neue Sorte 
        entstehen. Zusammengefasst kann man sagen, dass die markergestützte Auswahl gegenüber 
        der traditionellen Selektion die Vorteile hat, dass sie im Frühstadium 
        erfolgt und gleichzeitig für etliche Merkmale gemacht werden kann. Darüber 
        hinaus kann die "Pyramidenwirkung" von Genen genutzt werden. 
        Das heisst, es kann auf mehrere Gene hin selektiert werden, die den gleichen 
        Phänotyp bewirken oder beeinflussen. BiosicherheitNach welchen Kriterien werden Apfelpflanzen für die traditionelle Züchtung 
        selektioniert?  Die Individuen, die aus traditioneller Kreuzung hervorgehen, werden nicht 
        nur nach dem Vorhandensein von Resistenzgenen, Farbe der Früchte und Wuchstypus 
        selektioniert, sondern auch - wohl das Wichtigste am Schluss: Auf die 
        Qualität der Früchte. Dieses Selektionskriterium wurde natürlich schon 
        immer angewendet. Ein Apfel der ungeniessbar ist, würde nie ausgewählt. 
        Die Qualität der Früchte kann nur in wenigen Fällen ohne einen Menschen, 
        der hineinbeisst, bestimmt werden. Wird für klassisch gezüchtete Apfelsorten Biosicherheitsforschung gemacht? Es ist mir bei all den Degustationen, die von Experten und Laien von 
        solchen potenziellen neuer Sorten gemacht wurden, kein einziger Fall von 
        Vergiftungen zu Ohren gekommen noch eines der Probleme, die man als potenzielles 
        Risiko der transgenen Pflanzen beschreibt. Hierzu zähle ich beim Apfel 
        zum Beispiel eine mögliche Auskreuzung und Verwilderung der Pflanzen. 
        Die Resistenzgene stammen in der Regel von wilden Apfelarten ab und werden 
        über mehrere Generationen durch Rückkreuzung in den Kulturapfel eingebaut. 
        Diese Rückkreuzungen sind notwendig, um alle unerwünschten Eigenschaften 
        (zu sauer, zu klein, zu holzig usw.) zu eliminieren. Wenn dann endlich 
        eine Pflanze mit den geforderten Eigenschaften gefunden wird, hat sie 
        somit schon eine umfangreiche sorgfältige Prüfung hinter sich und ihre 
        Vorfahren sind altbekannte und bewährte Sorten oder Zuchtlinien. Sind nach Ihrer Einschätzung bei einer Apfelsorte, die ein Resistenzgen 
        durch klassische Züchtung erhalten hat, andere Biosicherheitsüberlegungen 
        anzustellen als bei einer Apfelsorte, bei der ein Resistenzgen mittels 
        Gentechnik übertragen wurde? Wenn wir nun apfeleigene DNA, welche wir traditionell eingezüchtet haben, 
        ohne apfelfremde DNA, also ohne Selektionsgene und ohne fremde Promotoren, 
        einbauen könnten und das noch am genau gleichen Ort wie bei Wildtypen, 
        würde ich vermuten, dass wir keine anderen Probleme haben als bei der 
        traditionellen Züchtung. Klar, ist das eine Spekulation und der Beweis 
        steht aus. Eine solche Pflanze, bei der wir einen "Fehler", 
        zum Beispiel Anfälligkeit gegen Schorf, korrigiert haben würde genau so 
        überprüft wie eine Pflanze, die klassisch gezüchtet wurde. Wo liegen die Probleme bei der Übertragung von Resistenzgenen mit molekularbiologischen 
        Methoden? Die heutige Technik erlaubt noch nicht, die DNA genau zu positionieren, 
        sondern die DNA wird irgendwo eingebaut. Theoretisch können da unerwartete 
        Folgen auftreten. Im Weiteren wird heute mehrheitlich mit einem Promotor 
        aus einem Pflanzenvirus gearbeitet und es werden noch Selektionsgene benötigt, 
        die auch nicht von der Art selber abstammen. Das sind alles potenzielle 
        Gefahrenquellen, wobei wir eigentlich keine Kenntnisse über die Art der 
        Gefahren und noch weniger über die Auswirkungen haben. Somit verlagert 
        sich diese Diskussion eher auf die emotionale Ebene. BeispieleKönnen Sie Beispiele aus der Forschungspraxis mit transgenen Äpfeln 
        nennen? In den USA (Cornell-University) haben die Forscher verschiedene Gene 
        in Apfel eingebaut; beispielsweise das Gen für Chitinase und/oder Atacin-E, 
        ein Toxin gegen Bakterien aus der Seidenraupe. Die Früchte dieser transgenen 
        Apfelpflanzen wurden auch schon getestet und sollen keine negativen Auswirkungen 
        auf die Gesundheit des Menschen haben. Diese Pflanzen sind widerstandsfähiger 
        gegen den Feuerbrand und entsprechen ansonsten der nicht transformierten 
        Ursprungssorte. Was wir nicht wissen, ist, welche Wirkung das Toxin auf natürliche Bakterien 
        und die Pilzflora (Mykorizza) zum Beispiel im Boden hat. Hier ist nicht 
        nur Forschung nötig, sondern auch neue Forschungsansätze, da mit den heutigen 
        Methoden der Bodenuntersuchungen sicher keine Effekte nachgewiesen werden 
        können. PerspektivenWie realistisch ist es, dass in naher Zukunft Resistenzgene für diese 
        Krankheiten mit gentechnischen Methoden auf Apfel übertragen werden? Wir sind in unserer Forschung bereits soweit, dass wir versuchen diesen 
        Weg zu gehen. Ausgehend von Markern konnten wir Sequenzen identifizieren, 
        die potenzielle Resistenzgene darstellen. Um festzustellen, ob solche 
        Sequenzen auch wirklich die richtigen Allele sind, welche effektiv die 
        Pflanze resistent machen, versuchen wir nun, diese in eine schorfanfällige 
        Pflanze einzubauen, also eine "transgene" Pflanze zur Kontrolle 
        zu erhalten. Gleichzeitig wollen wir das Antisens
        auf eine Sorte äbertragen, die definitiv ein Resistenzgen hat. Dies wird 
        uns erlauben, erstens festzustellen, ob wir wirklich das Resistenzgen 
        identifiziert haben und zweitens, es auch unabhängig vom Einbauort funktioniert. 
        Der nächste Schritt ist, die apfeleigene Promotorsequenz einzubauen und 
        auf den apfelfremden Promotor zu verzichten. Falls in drei bis fünf Jahren 
        solche Pflanzen auch in ausgedehnten Labortests resistent sind, werden 
        wir weitere Gene identifizieren und bereitstellen. Für uns nicht abschätzbar 
        ist, wann die notwendigen technischen Fortschritte erreicht sind, die 
        genaues Positionieren der einzubauenden DNA und den Verzicht auf Selektiongene 
        erlauben. Klar könnten wir in einen Golden Delicious die apfeleigene Resistenzgene 
        einbauen, irgendwo, und die Selektionsgene beibehalten, aber dann wird 
        dieser Apfel sowenig (oder soviel) akzeptierbar sein wie die heutigen 
        GMOs. Cesare Gessler:
 Studium an der ETH-Zürich Abschluss Agronomie und Doktorat in Pflanzenpathologie 
        1977 Forschungsaufenthalt in den USA 1979-1980 zum Thema "Induzierte 
        Resistenz bei Pflanzen gegen Krankheiten". Ab 1980 Dozent in Phytopathologie 
        und Leiter einer Forschungsgruppe an der ETH. Forschungsschwerpunkt Apfelkrankheiten 
        (Schorf und Mehltau) und falscher Rebenmehltau. 
 
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