| Sie sind hier: Biosicherheit > Technikfolgen > Forum 1997 > TA Schweiz Welche Form der Technikfolgenabschätzung für die 
	Schweiz?Othmar Käppeli, Zentrum BATS, Clarastrasse 13, 4058 Basel Als allgemeines Ziel der Technikfolgenabschätzung (TA) kann die 
	Darstellung der ökonomischen, Ökologischen und gesellschaftlichen 
	(sozialen) Auswirkungen von Technikoptionen angesehen werden, damit 
	(besser) begründete Entscheidungen in Fragen der technologischen 
	Entwicklung hergeleitet und verwirklicht werden können. In dieser 
	Formulierung fehlt, im Gegensatz etwa zur Definition der TA in der VD1 
	Richtlinie [1], das Element der eigentlichen Technikbewertung nach 
	vorgegebenen Zielen und Werten. Da ein ausgeprägter Wertepluralismus 
	vorherrscht, ist die Festlegung eines verbindlichen Wertekodexes ein 
	praktisch kaum realisierbares Unterfangen. Diese Feststellung sollte aber 
	nicht davon abhalten, dass eine eigentliche Werte- und Zieldiskussion, 
	beispielsweise unter Leitung von Ethikinstitutionen, gepflegt wird. Der 
	Bedeutung von Wertmassstäben, die letztlich über die Entscheidungsträger 
	einfliessen, könnte dadurch Nachdruck verliehen werden. Eine von einer 
	spezifischen TA unabhängige Werte- und Zieldiskussion wäre zudem 
	geeignet, einer sektoriellen Anwendung von Werten und Zielen 
	entgegenzuwirken. Die Erarbeitung von glaubwürdigen Entscheidungsgrundlagen muss 
	jedoch im politischen System der Schweiz eine zentrale Stellung 
	einnehmen. Beispielsweise gebietet das Mittel der Volksabstimmung 
	geradezu eine Unterbreitung wissenschaftlich korrekter Unterlagen, damit 
	der Stimmbürger (in diesem Falle der Entscheidungsträger) besser 
	begründete Entscheidungen treffen kann. Für das Funktionieren der in der 
	Schweiz praktizierten Demokratie ist dies eine unerlässliche Bedingung. 
	Im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Genschutzinitiative wird 
	in einem Kommentar der Zeitschrift 'Nature' von einer nationalen 
	Konsensuskonferenz gesprochen [2]. TA wird sich nur etablieren können, 
	wenn sie wichtige Grundbedingungen erfüllt. Dazu gehören unabhängig 
	von der Entscheidungsebene:
 
	
		Effektive Verhinderung unerwünschter Entwicklungstendenzen 
			bzw. wirkungsvolle Förderung erwünschter Tendenzen.Ergänzung oder Substitution bestehender Verfahren, die der 
			Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen dienen, aber 
			ungenügende Effizienz aufweisen.Verbesserung der Position von Entscheidungsträgern in Bezug 
			auf die Verfügbarkeit von Entscheidungsgrundlagen.Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Entscheidungsgrundlagen.Gute Kosten/Nutzen-Relation des Verfahrens. TA ist deshalb so zu gestalten, dass die aufgeführten und mögliche 
	weitere Bedingungen erfüllt werden. Es lässt sich ein Anforderungsprofil 
	für die TA ableiten. Wichtige Elemente sind:
 
	
		Systemgerechter Ansatz. Es muss zur Kenntnis genommen 
			werden, dass Zusammenhänge zwischen Technik, Ökonomie, 
			Ökologie und Gesellschaft (Politik) bestehen. Unverkennbar ist 
			beispielsweise der Einfluss der Technik auf die Gesellschaft und der 
			Einfluss der Gesellschaft auf die Technik. Daher sollte TA 
			konzeptionell zu einer Technik- und Politikbeurteilung erweitert 
			werden.Vergleich von Technikalternativen. Eine vergleichende TA ist 
			aussagekräftiger. Oft ist auch die Option "Nichthandeln" zu 
			beachten.Transparenz und Offenheit. Die Verfahren müssen offen sein und 
			die Entstehung der Entscheidungsgrundlagen ist nachvollziehbar zu 
			gestalten.Partizipation. Handelnde (v.a. Behörden, Industrie, Techniker) und 
			Betroffene (Bürger bzw. Bürgervertreter) sind in die TA-Verfahren 
			einzubeziehen.Dissemination der Ergebnisse. Da die Resultate einer TA als 
			Entscheidungsgrundlagen dienen sollen, müssen diese für die 
			Entscheidungsträger verfügbar sein. Die Fachstelle BATS führt im Bereich Biotechnologie TA-Studien durch 
	(vgl. [3]). Dabei wird versucht, das Anforderungsprofil verfahrensmässig 
	umzusetzen. Bezeichnend für den Ansatz ist, dass in die Erarbeitung der 
	Entscheidungsgrundlagen neben dem Koordinator zwei Gremien involviert 
	sind: Die wissenschaftliche Fachexpertengruppe und die 
	Verfahrensbegleitgruppe (Beirat, Fig. 1). 
	
		| TA-Koordinator |  
		| Technikfolgenforschung: Wissenschaftliche Fach-
 Personen aus Ökologie,
 Ökonomie, Soziologie
 | Beirat: Handelnde (Behörden,
 Industrie)
 Betroffene (Bürger
 bzw. Bürgervertreter,
 "Vertreteröffentlichkeit")
 |  Fig. 1: Zusammensetzung einer TA-Projektgruppe 
	zur Realisierung des im Text erwähnten Anforderungsprofils. Die in Figur 1 beschriebene Zusammensetzung der Projektgruppe 
	ergänzt durch einen entsprechenden Verfahrensablauf (Tabelle 1) 
	erlauben es weitgehend, die gemachten Anforderungen zu erfüllen. In 
	Tabelle 2 sind die einzelnen Ansprüche mit der entsprechenden 
	verfahrensmässigen Umsetzung zusammengefasst. Tab. 1:	Verfahrensablauf einer TA vor allem im 
	Hinblick auf die Realisierung der Kriterien Transparenz und Offenheit. 
	
		| Aktivität, Ziel | Beteiligte |  
		| Workshop zur Festlegung der Verfahrens- grenzen und der zu betrachtenden Auswirkungs-
 aspekte
 | Projektkoordinator und Beirat |  
		| Bestimmung der Fachexperten | Projektkoordinator in Zusam- menarbeit mit dem Beirat
 |  
		| Durchführung der Fachstudien | Fachexperten |  
		| Workshop mit Präsentation der Ergebnisse der Fachstudien
 | Projektkoordinator, Fachexper- ten, Beirat
 |  
		| Prüfung der Fachstudien auf Vollständigkeit, Er- 
 | Wie oben |  
		| Bericht mit den Fachstudien: Materialienband | Projektkoordinator in Zusam- menarbeit mit den Fachexper-
 ten und der wissenschaftlichen
 Begleitgruppe
 |  
		| Formulierung der Zusammenfassung | Projektkoordinator |  
		| Workshop mit Diskussion der Zusammenfassung mit den Hauptaussagen der Fachstudien
 | Projektkoordinator, Fachexper- ten, Beirat
 |  
		| Abschlussbericht | Wie oben |  
		| Aufarbeitung der Ergebnisse für Netzwerk | Projektkoordinator |  Tab. 2: Elementare Ansprüche an die TA und
	verfahrensmässige Umsetzung. 
	
		| Anspruch | Verfahrensmässige Umsetzung [3] |  
		| Technikalternativen | Projektanlage |  
		| Systemgerechter Ansatz | Wissenschaftliche Fachexpertengruppe und Beirat |  
		| Partizipation | Zusammensetzung des Beirates |  
		| Transparenz und Offenheit | Vgl. Tab. 1 |  
		| Dissemination der Ergebnisse
 | Schaffung eines Netzwerkes |  Ein wichtiger Gradmesser für die Wirksamkeit von TA ist ein verbesserter 
	Wissensstand der Entscheidungsträger, der eng mit der Verfügbarkeit des 
	Wissens zusammenhängt. Elektronische Hilfsmittel bieten sich für eine 
	örtlich und zeitlich uneingeschränkte Greifbarkeit des Wissens an. In 
	Figur 2 ist eine mögliche Architektur eines Netzwerkes skizziert.
	Es wird davon ausgegangen, dass eine Zielgruppenabängige 
	Aufarbeitung der Daten zu erfolgen hat (Berücksichtigung ver-   Fig. 2: Institutionalisiertes Netzwerk für die 
	Dissemination der Ergebnisse von TAStudien. Durch die Struktur wird die 
	Information für Entscheidungsträger uneingeschränkt und der 
	Verständnisebene angepasst verfügbar. Zugleich können Datenbestände 
	anderer Institutionen ins Netzwerk integriert werden. schiedener Verständnisebenen). Zudem können Datenbestände 
	andere Institutionen ins Netzwerk integriert werden. Prinzipiell lässt sich 
	auf Netzwerkebene Meinungsvielfalt realisieren, indem Datenbestände 
	verschiedener Institutionen über das Netzwerk zugänglich gemacht 
	werden. lm politischen System der Schweiz ist es nicht sinnvoll, TA 
	ausschliesslich zur Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen für 
	Volksabstimmungen einzusetzen. In der Regel handelt es sich dabei um 
	fertig ausgearbeitete Vorlagen. TA wäre in diesem Fall rein reaktiv. 
	ldealerweise erfolgt TA in einer früheren Phase der Technikentwick-   Fig. 3: Prospektive und reaktive TA. In Figur 3 sind wichtige Stadien der Technikentwicklung dargestellt 
	[5]. Soll TA prospektiv sein und effektiv dazu beitragen, unerwünschte 
	Entwicklungstendenzen zu verhindern bzw. erwünschte Tendenzen zu 
	fördern, sollte sie auf Stufe Innovation einsetzen. Im politischen System 
	der Schweiz entspräche dies beispielsweise der Funktion von 
	Interdepartementalen Arbeitsgruppen (IDAs, wie IDAGEN oder IDA-RIO). 
	Ziel bleibt in allen Fällen, verblässliche Entscheidungsgrundlagen 
	bereitzustellen, damit notwendige Regulierungen angemessen 
	verwirklicht und wünschenswerte Fördermassnahmen wirksam ergriffen 
	werden können. Referenzen [1] VIDI-Richtlinie, Technikbewertung - Begriffe und Grundlagen, 
		Beuth Veriag Berlin (1991). [2] Referendum's challenge to transgenic research. Nature, 389, 
		103 (1997). [3] Schulte, E. und 0. Käppeli, Gentechnisch veränderte krankheits- 
		und schädlingsresistente Nutzpflanzen. Eine Option für die 
		Landwirtschaft? Band 1 und 2, Fachstelle BATS (1997). [5] Ropohl, G. Ethik und Technikbewertung. Suhrkamp-Taschenbuch 
		Wissenschaft, Frankfurt am Main (1996). 
 
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