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Welche Form der Technikfolgenabschätzung für die Schweiz?

Othmar Käppeli, Zentrum BATS, Clarastrasse 13, 4058 Basel

Als allgemeines Ziel der Technikfolgenabschätzung (TA) kann die Darstellung der ökonomischen, Ökologischen und gesellschaftlichen (sozialen) Auswirkungen von Technikoptionen angesehen werden, damit (besser) begründete Entscheidungen in Fragen der technologischen Entwicklung hergeleitet und verwirklicht werden können. In dieser Formulierung fehlt, im Gegensatz etwa zur Definition der TA in der VD1 Richtlinie [1], das Element der eigentlichen Technikbewertung nach vorgegebenen Zielen und Werten. Da ein ausgeprägter Wertepluralismus vorherrscht, ist die Festlegung eines verbindlichen Wertekodexes ein praktisch kaum realisierbares Unterfangen. Diese Feststellung sollte aber nicht davon abhalten, dass eine eigentliche Werte- und Zieldiskussion, beispielsweise unter Leitung von Ethikinstitutionen, gepflegt wird. Der Bedeutung von Wertmassstäben, die letztlich über die Entscheidungsträger einfliessen, könnte dadurch Nachdruck verliehen werden. Eine von einer spezifischen TA unabhängige Werte- und Zieldiskussion wäre zudem geeignet, einer sektoriellen Anwendung von Werten und Zielen entgegenzuwirken.

Die Erarbeitung von glaubwürdigen Entscheidungsgrundlagen muss jedoch im politischen System der Schweiz eine zentrale Stellung einnehmen. Beispielsweise gebietet das Mittel der Volksabstimmung geradezu eine Unterbreitung wissenschaftlich korrekter Unterlagen, damit der Stimmbürger (in diesem Falle der Entscheidungsträger) besser begründete Entscheidungen treffen kann. Für das Funktionieren der in der Schweiz praktizierten Demokratie ist dies eine unerlässliche Bedingung. Im Zusammenhang mit der Abstimmung über die Genschutzinitiative wird in einem Kommentar der Zeitschrift 'Nature' von einer nationalen Konsensuskonferenz gesprochen [2]. TA wird sich nur etablieren können, wenn sie wichtige Grundbedingungen erfüllt. Dazu gehören unabhängig von der Entscheidungsebene:

  • Effektive Verhinderung unerwünschter Entwicklungstendenzen bzw. wirkungsvolle Förderung erwünschter Tendenzen.
  • Ergänzung oder Substitution bestehender Verfahren, die der Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen dienen, aber ungenügende Effizienz aufweisen.
  • Verbesserung der Position von Entscheidungsträgern in Bezug auf die Verfügbarkeit von Entscheidungsgrundlagen.
  • Erhöhung der Glaubwürdigkeit von Entscheidungsgrundlagen.
  • Gute Kosten/Nutzen-Relation des Verfahrens.

TA ist deshalb so zu gestalten, dass die aufgeführten und mögliche weitere Bedingungen erfüllt werden. Es lässt sich ein Anforderungsprofil für die TA ableiten. Wichtige Elemente sind:

  • Systemgerechter Ansatz. Es muss zur Kenntnis genommen werden, dass Zusammenhänge zwischen Technik, Ökonomie, Ökologie und Gesellschaft (Politik) bestehen. Unverkennbar ist beispielsweise der Einfluss der Technik auf die Gesellschaft und der Einfluss der Gesellschaft auf die Technik. Daher sollte TA konzeptionell zu einer Technik- und Politikbeurteilung erweitert werden.
  • Vergleich von Technikalternativen. Eine vergleichende TA ist aussagekräftiger. Oft ist auch die Option "Nichthandeln" zu beachten.
  • Transparenz und Offenheit. Die Verfahren müssen offen sein und die Entstehung der Entscheidungsgrundlagen ist nachvollziehbar zu gestalten.
  • Partizipation. Handelnde (v.a. Behörden, Industrie, Techniker) und Betroffene (Bürger bzw. Bürgervertreter) sind in die TA-Verfahren einzubeziehen.
  • Dissemination der Ergebnisse. Da die Resultate einer TA als Entscheidungsgrundlagen dienen sollen, müssen diese für die Entscheidungsträger verfügbar sein.

Die Fachstelle BATS führt im Bereich Biotechnologie TA-Studien durch (vgl. [3]). Dabei wird versucht, das Anforderungsprofil verfahrensmässig umzusetzen. Bezeichnend für den Ansatz ist, dass in die Erarbeitung der Entscheidungsgrundlagen neben dem Koordinator zwei Gremien involviert sind: Die wissenschaftliche Fachexpertengruppe und die Verfahrensbegleitgruppe (Beirat, Fig. 1).

TA-Koordinator
Technikfolgenforschung:
Wissenschaftliche Fach-
Personen aus Ökologie,
Ökonomie, Soziologie
Beirat:
Handelnde (Behörden,
Industrie)
Betroffene (Bürger
bzw. Bürgervertreter,
"Vertreteröffentlichkeit")

Fig. 1: Zusammensetzung einer TA-Projektgruppe zur Realisierung des im Text erwähnten Anforderungsprofils.

Die in Figur 1 beschriebene Zusammensetzung der Projektgruppe ergänzt durch einen entsprechenden Verfahrensablauf (Tabelle 1) erlauben es weitgehend, die gemachten Anforderungen zu erfüllen. In Tabelle 2 sind die einzelnen Ansprüche mit der entsprechenden verfahrensmässigen Umsetzung zusammengefasst.

Tab. 1: Verfahrensablauf einer TA vor allem im Hinblick auf die Realisierung der Kriterien Transparenz und Offenheit.

Aktivität, Ziel Beteiligte
Workshop zur Festlegung der Verfahrens-
grenzen und der zu betrachtenden Auswirkungs-
aspekte
Projektkoordinator und Beirat
Bestimmung der Fachexperten Projektkoordinator in Zusam-
menarbeit mit dem Beirat
Durchführung der Fachstudien Fachexperten
Workshop mit Präsentation der Ergebnisse der
Fachstudien
Projektkoordinator, Fachexper-
ten, Beirat
Prüfung der Fachstudien auf Vollständigkeit, Er-
Wie oben
Bericht mit den Fachstudien: Materialienband Projektkoordinator in Zusam-
menarbeit mit den Fachexper-
ten und der wissenschaftlichen
Begleitgruppe
Formulierung der Zusammenfassung Projektkoordinator
Workshop mit Diskussion der Zusammenfassung
mit den Hauptaussagen der Fachstudien
Projektkoordinator, Fachexper-
ten, Beirat
Abschlussbericht Wie oben
Aufarbeitung der Ergebnisse für Netzwerk Projektkoordinator

Tab. 2: Elementare Ansprüche an die TA und verfahrensmässige Umsetzung.

Anspruch Verfahrensmässige Umsetzung [3]
Technikalternativen Projektanlage
Systemgerechter Ansatz Wissenschaftliche Fachexpertengruppe und Beirat
Partizipation Zusammensetzung des Beirates
Transparenz und Offenheit Vgl. Tab. 1
Dissemination der
Ergebnisse
Schaffung eines Netzwerkes

Ein wichtiger Gradmesser für die Wirksamkeit von TA ist ein verbesserter Wissensstand der Entscheidungsträger, der eng mit der Verfügbarkeit des Wissens zusammenhängt. Elektronische Hilfsmittel bieten sich für eine örtlich und zeitlich uneingeschränkte Greifbarkeit des Wissens an. In Figur 2 ist eine mögliche Architektur eines Netzwerkes skizziert. Es wird davon ausgegangen, dass eine Zielgruppenabängige Aufarbeitung der Daten zu erfolgen hat (Berücksichtigung ver-

Netzwerk für die Dissemination von TAStudien

Fig. 2: Institutionalisiertes Netzwerk für die Dissemination der Ergebnisse von TAStudien. Durch die Struktur wird die Information für Entscheidungsträger uneingeschränkt und der Verständnisebene angepasst verfügbar. Zugleich können Datenbestände anderer Institutionen ins Netzwerk integriert werden.

schiedener Verständnisebenen). Zudem können Datenbestände andere Institutionen ins Netzwerk integriert werden. Prinzipiell lässt sich auf Netzwerkebene Meinungsvielfalt realisieren, indem Datenbestände verschiedener Institutionen über das Netzwerk zugänglich gemacht werden.

lm politischen System der Schweiz ist es nicht sinnvoll, TA ausschliesslich zur Erarbeitung von Entscheidungsgrundlagen für Volksabstimmungen einzusetzen. In der Regel handelt es sich dabei um fertig ausgearbeitete Vorlagen. TA wäre in diesem Fall rein reaktiv. ldealerweise erfolgt TA in einer früheren Phase der Technikentwick-

Prospektive und reaktive TA

Fig. 3: Prospektive und reaktive TA.

In Figur 3 sind wichtige Stadien der Technikentwicklung dargestellt [5]. Soll TA prospektiv sein und effektiv dazu beitragen, unerwünschte Entwicklungstendenzen zu verhindern bzw. erwünschte Tendenzen zu fördern, sollte sie auf Stufe Innovation einsetzen. Im politischen System der Schweiz entspräche dies beispielsweise der Funktion von Interdepartementalen Arbeitsgruppen (IDAs, wie IDAGEN oder IDA-RIO). Ziel bleibt in allen Fällen, verblässliche Entscheidungsgrundlagen bereitzustellen, damit notwendige Regulierungen angemessen verwirklicht und wünschenswerte Fördermassnahmen wirksam ergriffen werden können.

Referenzen

[1] VIDI-Richtlinie, Technikbewertung - Begriffe und Grundlagen, Beuth Veriag Berlin (1991).

[2] Referendum's challenge to transgenic research. Nature, 389, 103 (1997).

[3] Schulte, E. und 0. Käppeli, Gentechnisch veränderte krankheits- und schädlingsresistente Nutzpflanzen. Eine Option für die Landwirtschaft? Band 1 und 2, Fachstelle BATS (1997).

[5] Ropohl, G. Ethik und Technikbewertung. Suhrkamp-Taschenbuch Wissenschaft, Frankfurt am Main (1996).


© Copyright Zentrum BATS: Kontakt Legal Advisor: Advokatur Prudentia-Law Veröffentlichungsdatum: 1997-10-17

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